* 12.10.1940

† 21.01.2023

Dr.-Ing. Helmut Bock
Dr.-Ing. Helmut Bock (Foto: Christa Bock)

Am 21.01.2023 verstarb – für uns alle völlig unerwartet – Dr. Helmut Bock im Alter von 82 Jahren in seiner Heimatstadt Bad Bentheim.

Dr. Helmut Bock war ein hoch angesehenes Mitglied in unserer Fachsektion Ingenieurgeologie der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik und leitete die Fachsektion von 2001 bis 2008. Dazu war er ein aktives Mitglied der International Association of Engineering Geology and the Environment (IAEG) und war daher national wie international intensiv vernetzt.

Nach einem anfänglichen Studium der Mathematik studierte er Geologie in Münster und Berlin und schloss schließlich 1965 mit einer Diplomarbeit in einem tektonisch komplexen Gebiet der Nördlichen Kalkalpen in der Region Fernpass, Nordtirol, als Diplom-Geologe ab. Auch im privaten Bereich war er ein begeisterter Skifahrer und Bergsteiger, ein Umstand der zu zahlreichen Touren mit einem der Verfasser dieses Nachrufs führte.

Das Suchen nach tieferen Einblicken in das komplexe Themengebiet Gestein und Gebirge im felsmechanischen Sinne führte ihn 1966 zu Leopold Müller, der gerade selbst erst 1965 zum Leiter der Abteilung für Felsmechanik am Institut für Bodenmechanik und Felsmechanik der Technischen Hochschule Karlsruhe berufen worden war. Dort war Helmut Bock als wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-finanzierten Sonderforschungsbereich Felsmechanik tätig und promovierte mit dem Thema „Zur Mechanik der Kluftentstehung in Sedimentgesteinen“ zum Dr.-Ing. an der Fakultät für Bauingenieurwesen.

Danach wechselte er an den Lehrstuhl „Geologie III – Geotechnik“ der Ruhr-Universität Bochum von Prof. Klaus-W. John, arbeitete dort vier Jahre als wissenschaftlicher Assistent und habilitierte sich im Jahr 1976. Nach diesem eher klassischen Werdegang tat Helmut Bock etwas, was zu dieser Zeit noch sehr ungewöhnlich war: Er ging ins englischsprachige Ausland – und zwar gleich nach „Down Under“. Durch die während seiner Karlsruher und Bochumer Zeit aufgebauten Kontakte konnte er die Nachfolge von Edwin Thomas (Ted) Brown – späterer ISRM Präsident – am Institute of Civil and Systems Engineering der renommierten James Cook University in Townsville, Queensland, Australien antreten. Ted Brown wechselte damals an das Imperial College London. Es scheint uns wichtig zu erwähnen, dass Helmut Bock zu seiner Zeit stets von den „Großen“ unserer Disziplin lernen durfte – und das nicht nur fachlich. Vom Senior Lecturer entwickelte er sich über den Associate zum Full Professor für Geomechanik und baute dabei ein internationales Aus- und Weiterbildungsprogramm für berufstätige Ingenieure und Geologen „Rock Engineering“ im Bergbau und im Bauwesen auf. In diesem Programm wirkten viele prominente, auswärtige Gastprofessoren mit, die zu seinem internationalen Netzwerk beitrugen und in dem etwa 70 Studierende als MEngSc. abschließen konnten.

In dieser Zeit initiierte Helmut Bock eine Reihe von Forschungsprojekten wie beispielsweise FE-Untersuchungen zur Optimierung von Abbausequenzen in der australischen Bergbauindustrie oder zur Entwicklung der Bohrlochmesstechnik für Verformungen und In-situ-Spannungen, was bereits auf seine spätere Tätigkeit bei Interfels hinweist. Aber er beschäftigte sich damals schon mit Nachhaltigkeitsthemen, beispielsweise mit dem Erosionspotential von Hochwasserentlastungsanlagen oder der Struktur und den geotechnischen Eigenschaften von Korallenriffen zusammen mit der Great Barrier Reef Marine Park Authority in Queensland.

Nach 12 Jahren an der James Cook University kehrte Helmut Bock 1989 wieder in seine Heimat Deutschland zurück und übernahm zunächst als Geschäftsführer, später als Hauptgesellschafter die Firma Interfels in Bad Bentheim. Dies dürfte fast schicksalhaft gewesen sein, denn „die Interfels“ war damals Weltmarktführer in der Geotechnischen Messtechnik. Unter seiner Führung wurden hochspezialisierte Messgeräte für das Felslabor und für den Einsatz auf Baustellen und im Bohrloch entwickelt und umfangreiche Mess- und Überwachungsaufgaben in großen Ingenieur- und Bergbauprojekten erfolgreich durchgeführt.

Wie andere Fachkollegen, z.B. Evert Hoek , war Helmut Bock ein Verfechter von Messungen zur Quantifizierung von geotechnischen Prozessen. So wurde zum Beispiel ein portables Neigungsmessgerät (Digitilt) von Interfels an mehreren instabilen Felstürmen im Alpenbereich montiert, um eine Identifikation der Kippkomponente bezüglich horizontaler Raumachsen zu ermöglichen. Im Zusammenhang mit weiteren Messmethoden und geologischen und felsmechanischen Untersuchungen konnte ein Bild über die gegenwärtige und zukünftige Entwicklung (Prognose) von Deformationsvorgängen einer Felsbewegung entwickelt werden. Über viele dieser Projekte berichtete er auf Fachtagungen und bei eingeladenen Vorträgen an Universitäten, wo er u.a. auch den ingenieurgeologischen Nachwuchs inspirierte.

Leider war unsere Branche gerade in den 90er Jahren in wirtschaftlich harten Zeiten einem strukturellen Wandel unterworfen, der auch vor der Geomesstechnik nicht Halt machte. Nur eineinhalb Jahre nach der Übernahme durch die Boart Longyear Gruppe schied Helmut Bock auf eigenen Wunsch aus der Firma Interfels aus und gründete 1998 die Q+S Consult in Bad Bentheim, mit der er vorwiegend im Ausland in der Geomesstechnik beratend tätig war. Dies bot ihm die Möglichkeit, sich intensiver in der Fachsektion Ingenieurgeologie der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik zu engagieren, in der er bereits seit 1970 Mitglied war – was sich für unsere Fachcommunity hat als besonderer Glücksfall erwiesen hat.

Bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Australien wurde er in einer Reihe von Arbeitskreisen der DGGT aktiv. Seit 1989 war er zunächst als Gast, später als Mitglied im Arbeitskreis 19 „Versuchstechnik Fels“ (jetzt AK 3.3) tätig und trug bis zu seinem Ausscheiden zu etlichen Empfehlungen des Arbeitskreises bei. Im Jahr 2002 war er Mitgründer und später Mitglied des Arbeitskreises 2.10 „Geomesstechnik“ zur Neufassung der DIN 4107 „Geotechnische Messungen“, seit 2005 Mitglied des Arbeitskreises 1.10 „Baugrund; Feldversuche“, vormals „Baugrund, Sonden“, DIN NA 005-05-09 AA, seit Gründung im Jahr 2007 war er Mitglied des Arbeitskreises 2.11 „Fachliche Voraussetzungen für Sachverständige für Geotechnik“.

In dieser Zeit und später als Leiter der Fachsektion Ingenieurgeologie der DGGT und Chairman der German National Group der International Association of Engineering Geology and The Environment IAEG (2001 – 2008) kümmerte er sich besonders um drei Themenkomplexe, die aber letztlich stark miteinander verwoben sind:

  • Die Integration der National Groups in der IAEG und ihre Kooperation untereinander. Er war, zusammen mit den niederländischen und belgischen IAEG-Nationalgruppen, Mitorganisator der ersten europäischen „Regional Conference“ der IAEG „EurEnGeo 04“ in Liège/Lüttich, Belgien. Diese wurde erst nach langer Pause mit der EuroEnGeo 2020 (wegen Corona verschoben auf 2021) in Athen fortgesetzt.
  • Die Förderung des ingenieurgeologischen Nachwuchses insbesondere durch die Einführung eines „Forums für Junge Ingenieurgeologen“ auf unseren 2-jährlichen Fachtagungen – zu seiner Zeit „Tagung Ingenieurgeologie“, heute „DGGT Fachsektionstage Geotechnik“. Hier führte er die Prämierung der drei besten Vorträge ein – eine Tradition, die wir als DGGT seitdem fortführen und die auch auf den internationalen IAEG Tagungen aufgegriffen wurde.
  • Die Überbrückung des „fachlichen Grabens“ zwischen Bauingenieurwesen und Ingenieurgeologie. Hierfür brachte er sich besonders im AK 2.11 „Fachliche Voraussetzungen für Sachverständige für Geotechnik“ der DGGT und später in analoger Weise auf europäischer Ebene in der Joint European Working Group der IAEG, ISRM und ISSMFE ein.

Dem Engagement von Helmut Bock im Arbeitskreis 2.11 ist es zu verdanken, dass in der Empfehlung ingenieurwissenschaftliche Fächer in der ingenieurgeologischen Ausbildung integriert und festgeschrieben wurden (u. a. Technische Mechanik, Bodenmechanik & Grundbau, Felsmechanik & Felsbau) und dass somit Ingenieurgeolog:innen mit entsprechender universitärer Ausbildung (plus Berufserfahrung und Weiterbildung als 2. und 3. Säule) als Sachverständige für Geotechnik akzeptiert werden können. Als wichtigste ingenieurgeologische Schlüsselkompetenz sah er das Zusammenführen geologischer und bautechnischer Daten in ein in sich geschlossenes, projektspezifisches geologisches Modell an.

Wir möchten das als wichtigste Errungenschaft für unseren Berufsstand als Ingenieurgeolog:innen zu Beginn des neuen Jahrtausends bezeichnen. Es unterstützt nicht nur die Akzeptanz unseres Berufszweiges bei unseren Ingenieurkolleg:innen – gleichermaßen bei Behörden, Bauherren, Planern und Bauausführenden – sondern bedeutet gleichzeitig eine deutliche Qualitätssteigerung der Master-Ausbildung in der Ingenieurgeologie oder Angewandten Geologie an den Universitäten, die sich in der Folge an die Vorgaben des Arbeitskreises anpassen mussten. Dies trägt nun insbesondere dazu bei, dass die Absolvent:innen der Ingenieurgeologie oder Angewandten Geologie ausgesprochen gute Berufsaussichten genießen und gesuchte Fachkräfte in der freien Wirtschaft und bei Behörden darstellen. Die AK 2.11 Empfehlung wurde schließlich von der Bundesingenieurekammer aufgegriffen und bereits in vielen Ingenieurekammern der Länder in Form von Satzungen und einer Listenführung des „SV Geotechnik“ umgesetzt.

In diesem Sinne führte Helmut Bock auch auf europäischer Ebene den Vorsitz der internationalen Joint European Working Group (JEWG) von IAEG, ISRM und ISSMFE, die 2004 die Empfehlung: „Professional tasks, responsibilities and cooperation in Ground Engineering“ erarbeitet hat, welche anschließend von allen drei internationalen Verbänden als Grundlage für ihre Zusammenarbeit angenommen wurde. Schließlich war er Mitverfasser des Berichts „Competencies oriented curricula development in geoengineering with particular reference to Engineering Geology“, der auf der JEWG-Empfehlung basiert und auf der Internationalen Konferenz „Education and Training in Geo-Engineering“ 2008 in Bukarest vorgestellt wurde. Wir müssen nun danach streben, dieses Vermächtnis von Helmut Bock weiterzuführen und auszubauen.

Mit seiner kompetenten, kreativen, aber auch humorvollen Art war er vielen von uns ein Vorbild. Sein Werdegang und die Kraft, mit der er seine Aufgaben angepackt und all die Veränderungen angestoßen hat, ist nach wie vor beeindruckend. Und doch hat er all das immer mit einem gewissen Schmunzeln versehen, als ob ihm das ganz leicht von der Hand gegangen wäre.

Bei unserer „23. Bodenseetagung“ in Freiburg im Oktober 2022 konnten wir ihn noch ein letztes Mal persönlich auf einer DGGT Veranstaltung begrüßen. Mit dem Tod von Helmut Bock ist ein in jeder Hinsicht erfülltes Leben zu Ende gegangen. Unsere Fachcommunity hat einen wichtigen und einflussreichen Kollegen verloren, viele von uns einen herzlichen und empathischen Freund. Unsere Gedanken sind bei ihm, seiner Frau Christa und seiner Schwester Gudrun sowie seinen Töchtern Ellen, Sarah und Katrin und seinem Sohn Benno.

Kurosch Thuro, Leiter der Fachsektion Ingenieurgeologie DGGT/DGGV (seit 2017), TU München

Rafig Azzam, Leiter der Fachsektion Ingenieurgeologie DGGT/DGGV (2009-2016), em.Prof. RWTH Aachen

Michael Moser, em. Prof., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen

Dieser Nachruf wurde in der Ausgabe 01/2023 in der Geotechnik abgedruckt.

Einen weiteren Nachruf, verfasst von Niek Rengers, können Sie hier finden: https://multibriefs.com/briefs/iaeg/bock.pdf